Auf die Frage eines IRNA-Reporters, ob es – wie von einigen westlichen Medien behauptet – neben den Gesprächen zwischen Araghchi und Witkoff auch einen parallelen Verhandlungsstrang zwischen Iran und den USA gebe, erklärte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Esmail Baghaei:
„Der einzige Verhandlungsprozess, an dem die Islamische Republik Iran beteiligt ist, besteht aus den Gesprächen zwischen unserem geehrten Außenminister und dem Sondergesandten des US-Präsidenten. Diese Gespräche sind koordiniert, transparent geführt worden, und deren Ergebnisse wurden – soweit die Umstände es zuließen – öffentlich gemacht.“
Baghaei eröffnet Pressekonferenz mit Gedenken an Verstorbene
Baghaei begann die Pressekonferenz am Montag, dem 29. Ordibehescht (18. Mai), mit einem ehrenden Gedenken an den als Märtyrer verehrten Hossein Amir-Abdollahian:
„Wir verneigen uns in Ehrfurcht vor seiner edlen Seele und hoffen, seinem Wirken in würdiger Weise zu gedenken. Er war ein leuchtendes Beispiel an Bescheidenheit, Pflichtgefühl und Kompetenz. In seiner Amtszeit konnte der Iran beachtliche diplomatische Erfolge erzielen – etwa die Aufnahme in bedeutende internationale Zusammenschlüsse wie die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und die BRICS-Staatengruppe. Zudem spielte er eine Schlüsselrolle bei der legitimen Unterstützung des palästinensischen Volkes im Kampf gegen das zionistische Regime. Auch das ehrende Gedenken an Ayatollah Raisi, der im vergangenen Jahr auf tragische Weise ums Leben kam, soll aufrechterhalten werden.“
Teheraner Dialogforum – Ein Pfeiler der informellen Diplomatie Irans
Mit Blick auf das kürzlich abgehaltene „Teheraner Dialogforum“ betonte Baghaei die besondere Rolle dieses Formats:
„Dieses Forum stellt einen bedeutenden Bestandteil der inoffiziellen Diplomatie unseres Landes dar – ein Instrument, um über klassische Kanäle hinaus politische und diplomatische Anliegen zu vermitteln.“
Regionale Lage: Aggression, Instabilität und humanitäre Katastrophen
Zu den jüngsten Reisen des Außenministers nach Katar, Saudi-Arabien und Oman sagte Baghaei:
„Die fortgesetzte Destabilisierung der Region ist eine direkte Folge der aggressiven Politik des israelischen Regimes. Die Entwicklungen im Westjordanland und im Gazastreifen sind erschütternd. Allein in den letzten 24 Stunden wurden 200 unschuldige Zivilisten getötet – ein eklatantes Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das unter dem Schweigen der internationalen Menschenrechtsinstitutionen und mit aktiver militärischer Unterstützung durch die USA, Großbritannien und andere Staaten geschieht. Dieses Blutvergießen wird als dunkles Kapitel in die Geschichte der Region eingehen.“
Iran verfolgt weiterhin eine konstruktive Verhandlungsstrategie
Auf die Frage nach Irans Haltung zu den widersprüchlichen Äußerungen der US-Verhandlungsdelegation entgegnete Baghaei:
„Verhandlungen dienen dazu, Differenzen zu überbrücken. Trotz der teils gegensätzlichen und widersprüchlichen Aussagen der Amerikaner bleibt Iran an Gesprächen beteiligt – ein Beweis unseres ernsthaften Willens und unserer rechtsstaatlichen Position. Schon allein unsere fortgesetzte Teilnahme zeigt, dass wir eine vernünftige, faire und dauerhafte Einigung anstreben.“
Urananreicherung ist ein unveräußerliches Recht des Iran
Zur Forderung der USA, der Iran solle seine Urananreicherung einstellen, sagte Baghaei unmissverständlich:
„Die Urananreicherung ist ein essenzieller Bestandteil der zivilen Nukleartechnologie unseres Landes und steht nicht zur Disposition. Sie ist weder ein Luxusgut noch ein Verhandlungsgegenstand, sondern eine technologische Notwendigkeit, die das Fortbestehen und den Fortschritt der iranischen Nuklearindustrie sichert. Dieses Recht basiert sowohl auf dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) als auch auf den jahrzehntelangen Anstrengungen und Opfern unserer Nuklearwissenschaftler.“
Inkonsequenz der US-Positionen belastet die Verhandlungen
Baghaei zog einen bildhaften Vergleich zur US-amerikanischen Verhandlungstaktik:
„Ein Experte verglich das Verhalten der US-Seite treffend mit dem Spiel ‚Leiterspiel‘: Bei jedem Treffen gibt es zunächst einen Fortschritt, doch kaum ist man zurück in Washington, wird alles wieder zurückgedreht. Diese mangelnde Konsistenz untergräbt das Vertrauen und erschwert ernsthafte Verhandlungen erheblich.“
Geplanter Besuch des Präsidenten in Oman
Auf die Frage nach einem möglichen Besuch des iranischen Präsidenten in Oman sagte Baghaei:
„Ein Besuch des Präsidenten in Muskat ist seit Längerem in Planung und wird auch wie vorgesehen stattfinden. Der Austausch hochrangiger Delegationen mit Oman ist gängige Praxis, und die Beziehungen beider Länder sind von enger Partnerschaft geprägt. Über die Einzelheiten wird das Büro des Präsidenten zu gegebener Zeit informieren.“
Neue Botschafterposten und diplomatische Ernennungen
Baghaei informierte auch über bevorstehende diplomatische Personalentscheidungen:
„Nach dem Ende der Amtszeiten ihrer bisherigen Leiter stehen mehrere Botschaften vor einer Neubesetzung. So wurde Herr Abolfazl Pasandideh für Mexiko, Herr Mojtaba Bani-Asadi für Nigeria und Herr Mahdavi Raja für die Elfenbeinküste nominiert. Frau Sona Ahmadi, derzeit Beraterin des Ministers in Frauenfragen, ist für das Generalkonsulat in Almaty (Kasachstan) vorgesehen. Weitere Informationen folgen nach Abschluss der offiziellen Verfahren.“
Iran zeigt Bereitschaft zur Beteiligung an UN-Friedensmissionen
Bezüglich eines möglichen hochrangigen UN-Treffens in Berlin erklärte Baghaei:
„Iran ist grundsätzlich bereit, sich an friedenserhaltenden Maßnahmen der Vereinten Nationen zu beteiligen. Dies entspricht unserem verantwortungsbewussten sicherheitspolitischen Ansatz in konfliktgeprägten Regionen. Einzelheiten zur möglichen Entsendung von Truppen liegen jedoch im Zuständigkeitsbereich der Streitkräfte und deren Sprecher.“
Snapback-Mechanismus ist illegitim und unbegründet
Zur Möglichkeit, dass europäische JCPOA-Staaten den sogenannten Snapback-Mechanismus (automatische Wiedereinsetzung von UN-Sanktionen) aktivieren könnten, sagte Baghaei:
„Jede feindselige oder rechtswidrige Maßnahme wird eine angemessene Antwort von uns nach sich ziehen. Der Rückgriff auf den Snapback-Mechanismus entbehrt jeglicher rechtlicher Grundlage und rationaler Begründung – unser Nuklearprogramm dient nachweislich ausschließlich friedlichen Zwecken. Die europäische Auslegung der Resolution 2231 stellt eine Instrumentalisierung ihrer Befugnisse als ständige Mitglieder des Sicherheitsrats dar und ist für uns völlig inakzeptabel.“
Er ergänzte:
„Wer diesen Mechanismus nutzt, dokumentiert damit sein Desinteresse an einem diplomatischen oder verhandlungsorientierten Vorgehen und setzt stattdessen auf Drohkulissen und Zwang. In einem solchen Fall behalten wir uns angemessene Gegenmaßnahmen vor und werden unsere bisherige Haltung überdenken. Wir fordern die europäischen Staaten auf, ihre Position zu überdenken – denn dieses Instrument ist ein zweischneidiges Schwert.“
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