Von Hossein Pabarja
Mehrere öffentlichkeitswirksame Fälle in den letzten Jahren haben das Fortbestehen von Vorurteilen im deutschen Militär deutlich gemacht. Der Militärische Abschirmdienst[i] ermittelte bis zum 31. Dezember 2019 in 743 Verdachtsfällen, von denen der Großteil rund 592, dem Rechtsextremismus zuzuordnen ist. An zweiter Stelle folgt der Islamismus mit 69 Verdachtsfällen, und wegen linksextremistischer Aktivitäten wurde das BAMAD-Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst elfmal kontaktiert. In 482 Fällen wurden ganz neue Ermittlungen eingeleitet, die übrigen Fälle hatten ihre Wurzeln in den Vorjahren. Das bedeutet, dass 0,28 Prozent oder einer von 357 Mitarbeitern der 265.000 Mann starken Bundeswehr unter Extremismusverdacht steht. Laut einer Umfrage[ii] des Bundesverteidigungsministeriums aus dem Jahr 2019 hatten 14,5 % der Soldaten diskriminierendes Verhalten gegenüber Kollegen aufgrund ihrer ethnischen oder rassischen Herkunft beobachtet, während 12,7 % ein solches Verhalten selbst erlebt hatten. Die Umfrage ergab auch, dass farbige Soldaten und Angehörige ethnischer Minderheiten häufiger von Diskriminierung und Belästigung betroffen waren als ihre weißen Kollegen.
Faktoren, die Diskriminierung im deutschen Militär begünstigen
Das Fortbestehen des Rassismus im deutschen Militär kann auf mehrere Faktoren zurückgeführt werden. Erstens beeinflusst das Erbe der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands nach wie vor die Einstellung zu Rasse und ethnischer Herkunft im Land. Trotz der Bemühungen, Vielfalt zu fördern und Diskriminierung zu bekämpfen, haben rechtsextreme Gruppen dieses Erbe ausgenutzt, um ihre Ideologien innerhalb des Militärs und darüber hinaus zu verbreiten. Zweitens ist das deutsche Militär[iii] traditionell eine von Männern dominierte Institution, was zu einer Kultur der toxischen Maskulinität und des ausgrenzenden Verhaltens gegenüber Frauen und Minderheiten beigetragen hat. Dies hat zu einem Mangel an Vielfalt und einem Umfeld geführt, in dem Diskriminierung und Belästigung gedeihen können. Schließlich wurden die Rekrutierungs- und Ausbildungsprozesse des deutschen Militärs für ihren Mangel an Inklusivität und ihr Versagen bei der Behandlung von Fragen der Vielfalt und Diskriminierung kritisiert. So gab es beispielsweise Bedenken, dass die Anforderungen des Militärs an die körperliche Fitness Frauen und ethnische Minderheiten unverhältnismäßig stark benachteiligen, was zu einer mangelnden Vertretung in höheren Rängen führt.
Rassistische Vorfälle
Hier sind einige konkrete[iv] Beispiele[v] für Rassismus[vi] in der Bundeswehr[vii]:
Im Jahr 2016 berichtete ein Soldat ghanaischer Abstammung, dass er von seinen Kollegen rassistisch beleidigt und belästigt worden sei. Er behauptete, sein Vorgesetzter habe keine Maßnahmen ergriffen, um das Problem anzugehen. 2017 berichtete ein Soldat syrischer Abstammung, dass er von seinen Kollegen rassistisch belästigt wurde, u. a. als "Terrorist" bezeichnet und aufgefordert wurde, "in sein eigenes Land zurückzukehren". Der Soldat behauptete, dass seine Vorgesetzten seine Beschwerden ignoriert hätten. Im Jahr 2017 stellte ein Bericht des Deutschen Bundestages fest, dass zwischen 2011 und 2017 gegen mehr als 275 Soldaten wegen des Verdachts auf Rechtsextremismus oder Rassismus ermittelt worden war. In einem Fall wurde festgestellt, dass ein Soldat einen Terroranschlag geplant hatte, während er sich als syrischer Flüchtling ausgab. Im Jahr 2018 berichtete ein Soldat tunesischer Abstammung, dass er Opfer von Rassismus und Schikanen seitens seiner Kollegen geworden sei. Der Soldat behauptete, seine Kollegen hätten rassistische Bemerkungen gemacht und ihn körperlich misshandelt, unter anderem indem sie ihn an einen Baum banden und dort zurückließen. Im Jahr 2020 berichtete ein kurdischstämmiger Soldat, dass er Opfer rassistischer Schikanen und Drohungen seitens eines Kameraden geworden sei. Das Opfer behauptete, seine Vorgesetzten hätten nichts unternommen, um ihn zu schützen. Im Jahr 2020 wurde aufgedeckt, dass eine Gruppe von Soldaten eine Chatgruppe gebildet hatte, in der sie Nazi-Propaganda und rassistische Nachrichten austauschten. Die Chatgruppe wurde bei den Ermittlungen zum Mord an einem Politiker durch einen Rechtsextremisten entdeckt. Im Jahr 2021 berichtete ein Soldat afrikanischer Abstammung, dass er von seinen Kollegen rassistisch belästigt wurde, u. a. durch rassistische Beschimpfungen und die Aufforderung, "zurück nach Afrika" zu gehen. Der Soldat behauptete, dass seine Vorgesetzten seine Beschwerden ignoriert hätten. Im Jahr 2021 berichtete ein türkischstämmiger Soldat, er sei von seinen Kollegen rassistisch belästigt worden, unter anderem als "Terrorist" beschimpft und sein Spind mit rassistischen Graffiti beschmiert worden.
Diese Vorfälle zeigen, dass Bigotterie und Diskriminierung in der Bundeswehr allgegenwärtig sind und dass kontinuierliche Anstrengungen zur Bekämpfung und Verhinderung solchen Verhaltens erforderlich sind. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass sich Soldaten jeglicher Herkunft am Arbeitsplatz sicher und respektiert fühlen, und dass Vorfälle von Diskriminierung ernst genommen und zügig behandelt werden. Das deutsche Militär hat als Reaktion auf diese Herausforderungen mehrere Maßnahmen zur Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und zur Förderung von Vielfalt ergriffen. Im Jahr 2017[viii] führte das deutsche Verteidigungsministerium eine neue Diversitätsstrategie ein, um Inklusion zu fördern und Diskriminierung zu bekämpfen. Die Strategie umfasst Maßnahmen wie die Forderung nach einer Diversitätsschulung für alle Soldaten, die Einrichtung eines Diversitätsbüros zur Überwachung der Umsetzung und die Förderung positiver Maßnahmen, um die Vertretung unterrepräsentierter Gruppen zu erhöhen.
Dennoch gibt es in der Bundeswehr noch viel zu tun, um Vorurteile zu bekämpfen und Vielfalt zu fördern. Die langsamen Fortschritte bei der Umsetzung der Diversitätsstrategie wurden kritisiert, und einige Aktivisten forderten konkretere Schritte zur Bekämpfung von Diskriminierung und zur Förderung der Repräsentation. Es wurden auch Bedenken geäußert, dass die Disziplinar- und Meldeverfahren des Militärs bei der Behandlung von Vorfällen von Diskriminierung und Belästigung unzureichend sind.
[i] https://www.bmvg.de/de/aktuelles/null-toleranz-extremisten-bundeswehr-201168
[ii] https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/BT_Bericht/gemeinsamer_bericht_vierter_2021.pdf?__blob=publicationFile&v=3
[iii] https://www.ethikundmilitaer.de/fileadmin/ethik_und_militaer/Ethik-und-Militaer-2021-2.pdf
[iv] https://www.bundestag.de/resource/blob/901610/fc410cdd893ba69d52b8cb55ed1fb715/annual_report_2021_63rd_report-data.pdf
[v] https://www.bbc.com/news/world-europe-57525971
[vi] https://www.bmvg.de/de/aktuelles/extremismus-bundeswehr-bericht-zeichnet-differenziertes-bild-5035908
[vii] https://www.bbc.com/news/world-europe-57525971
[viii] https://www.bmvg.de/de/aktuelles/vielfalt-macht-den-unterschied-5436720
Folgen Sie IRNA auf Twitter! @irna_German