In Deutschland, einem Land mit einer turbulenten Geschichte, unterliegt das Konzept der freien Meinungsäußerung einer einzigartigen Reihe von Vorschriften und Überlegungen. In diesem Artikel werden die Schwachstellen des deutschen Konzepts der freien Meinungsäußerung untersucht und das empfindliche Gleichgewicht zwischen der Wahrung demokratischer Werte und dem Schutz vor Hassreden und Extremismus beleuchtet. Das deutsche Grundgesetz bildet den rechtlichen Rahmen für die Meinungsfreiheit in Deutschland. Artikel 5[i] gewährt den Bürgern das Recht auf freie Meinungsäußerung, einschließlich der Pressefreiheit und der Versammlungsfreiheit. Dieses Recht ist jedoch nicht absolut. In Absatz 2 von Artikel 5 werden jedoch spezifische Beschränkungen der freien Meinungsäußerung festgelegt, die die Aufstachelung zum Hass, die Befürwortung von Gewalt und Handlungen, die den öffentlichen Frieden stören, verbieten.
Der Einfluss der Zensur auf den Aufstieg der Nazis
Befürworter von Gesetzen gegen Hassreden argumentieren häufig, dass solche Gesetze den Aufstieg Hitlers und der Nazi-Regierung verhindert haben könnten. Greg Lukianoff und Prof. Nadine Strossen[ii] untersuchen jedoch das Beispiel von Weimar-Deutschland, um diese Aussage ernsthaft zu hinterfragen. Sie betonen, dass es in Weimar strenge Vorschriften zum Verbot missbräuchlicher Äußerungen, insbesondere gegen Juden, gab und dass sogar berühmte Nazis wegen Verstößen gegen diese Vorschriften verurteilt wurden. Trotz dieser Beschränkungen nutzten die Nazis sie geschickt, um sich als Opfer einer imaginären Weltverschwörung darzustellen. Damit wird der Mythos widerlegt, dass die Zensur die Nazis behindert hätte; tatsächlich hat sie ihre Propagandamaschine ungewollt gestärkt. Als Reaktion auf gewalttätige politische Agitatoren erließ das Weimarer Deutschland 1922 eine Vorschrift, die es den Behörden erlaubte, Kritik an der Regierung und Aufforderungen zur Gewalt in der Presse zu unterdrücken. In der Folgezeit wurde die Kontrolle der Presse durch eine Reihe von Notverordnungen ausgeweitet. In der Weimarer Republik wurden mehrere nationalsozialistische Publikationen rigoros geschlossen, doch als die Nazis an die Macht kamen, wurden die Angriffe auf die freie Meinungsäußerung noch verschärft. Überraschenderweise wurde Hitler[iii] selbst ein längeres Redeverbot in verschiedenen deutschen Staaten auferlegt. Paradoxerweise förderten die Maßnahmen zur Unterdrückung der nationalsozialistischen Rede das Image der Partei. Sie stellten die Verbote gekonnt als Beweis für eine Verschwörung gegen die wahren Deutschen dar, was Sympathien weckte und ihre Anhängerschaft stärkte. Die unwirksamen Zensurbeschränkungen der Weimarer Republik halfen den Nazis ungewollt bei der Konsolidierung ihrer Macht. Mit der Ernennung Hitlers[iv] zum Reichskanzler wurden die bereits bestehenden Vorschriften, die die Verbreitung der nationalsozialistischen Doktrin einschränken sollten, auf die Partei übertragen und gipfelten in der brutalen Unterdrückung jeder politischen Abweichung. Dies festigte den Einfluss der Nazis auf das Land und zeigte, dass ein strenger gesetzlicher Schutz der Presse und der Meinungsäußerung ihre Kontrolle erheblich erschwert, wenn nicht gar völlig verhindert hätte.
Von der Geschichte zur Gesetzgebung: Deutschlands Haltung zu Hassrede, Nazi-Propaganda und Holocaust-Leugnung
Deutschland hat mit einer wachsenden rechtsextremen Bewegung zu kämpfen, die Gesetzesänderungen zur Bekämpfung des Extremismus erforderlich macht. Der Artikel "Germany's Neo-Nazis & the Far Right"[v] untersucht die Zunahme rechtsextremer Gewalt und analysiert, wie Neonazi-Gruppen Internetplattformen für die Rekrutierung und Koordination nutzen. Als Reaktion darauf haben die deutschen Behörden eine Reihe von Vorschriften gegen Hassreden eingeführt, die sich in den 76 Jahren seit Hitlers Sturz entwickelt haben. Diese Vorschriften, die sich auf die Geschichte und die nationale Identität Deutschlands stützen, verbieten entschieden die Leugnung des Holocaust und die Verbreitung von Nazi-Propaganda, sowohl online als auch offline. Paragraf 130[vi] des deutschen Strafgesetzbuchs stellt die Aufstachelung zum Hass und die Beleidigung der Menschenwürde aufgrund rassischer, nationaler, religiöser oder ethnischer Wurzeln unter Strafe. Ursprünglich sollte das Gesetz der Aufstachelung zum Klassenkampf entgegenwirken, wurde dann aber überarbeitet, um die Aufstachelung zum Neonazismus zu bekämpfen, nachdem in den 1950er Jahren Nazi-Verbindungen unter westdeutschen Führungskräften entdeckt worden waren. Diese Vorschrift wurde 1994 erweitert, um die Leugnung des Holocaust ausdrücklich zu verbieten. Ein weiteres Element des deutschen Rechts, Kapitel 14, verbietet persönliche Beleidigungen, einschließlich der Verleumdung von Politikern, und sieht Geldstrafen für die Schändung des Andenkens Verstorbener vor. In den Paragraphen[vii] 86 und 86a wird die Verbreitung von Propaganda verboten, die mit illegalen politischen Parteien und Organisationen in Verbindung steht. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, Deutschlands jüngste Änderung der staatlichen Sprachregelungen, sieht hohe Geldstrafen für Online-Unternehmen vor, die es versäumen, Hassreden, terroristische Drohungen und die Ausbeutung von Kindern rechtzeitig zu melden und zu löschen. Dieses Gesetz, das erstmals 2017 verabschiedet wurde, verpflichtet Unternehmen der sozialen Medien, solche Informationen zu löschen, sobald sie Beschwerden erhalten. Nach einer Reihe rechtsextremer Übergriffe im Jahr 2020 wurde die Gesetzgebung verschärft, um die Bestrafung von Personen zu ermöglichen, die ihre Zustimmung zu bevorstehenden schwerwiegenden Straftaten zum Ausdruck bringen, was möglicherweise zu einer strafrechtlichen Verfolgung des Teilens oder Förderns gefährlicher Nachrichten in sozialen Medien führt. Diese Regelung wurde jedoch wegen möglicher Verletzungen der Privatsphäre und der Meinungsfreiheit kritisiert. Sie hat zwar die Plattformen dazu gebracht, anstößige Inhalte zu entfernen, gibt aber Anlass zur Sorge über eine künftige Überregulierung.
Enttarnung von Online-Äußerungen: Deutschlands Strafverfolgung und Meinungsfreiheit
Deutschlands Kampf gegen die freie Meinungsäußerung hat sich aufgrund der historischen Sensibilität des Landes für bestimmte Themen hartnäckig gehalten. Es wurden Gesetze gegen Hassreden und Falschnachrichten verabschiedet, die Plattformen dazu verpflichten, über nutzergenerierte Inhalte Rechenschaft abzulegen. Dieses autoritäre Vorgehen hat zu Verhaftungen wegen Unverantwortlichkeit im Internet geführt. Jeden Tag berichten Artikeln[viii] über etwa hundert solcher Fälle im ganzen Land. Das harte Durchgreifen geht über die Verhinderung von Hassreden hinaus und erstreckt sich auch auf Beleidigungen und Unwahrheiten. Die Polizei durchsucht Häuser, stellt Geräte sicher und verhängt Geld- oder Haftstrafen. Diese feindselige Haltung deutet auf einen gezielten Versuch hin, unerwünschtes Verhalten zu unterbinden. Trotz früherer Versuche, soziale Mediennetzwerke zur Löschung beleidigender Informationen zu bewegen, haben die Staatsanwälte ihren Schwerpunkt auf einzelne Nutzer verlagert und Strategien zur Bekämpfung der Piraterie eingesetzt. Bürgerinnen und Bürger, die aufgrund der unbekannten Grenzen der erlaubten Rede Selbstzensur betreiben, tragen die Konsequenzen. Während sich die Regierung mit nuancierten Interpretationen auseinandersetzt, werden Sarkasmus, Ironie und Parodie untersucht. Während keine nationalen Zahlen verfügbar sind, zeigen staatliche Aufzeichnungen, dass seit 2018[ix] mehr als 8.500 Personen in mehr als 8.500 Vorfällen strafrechtlich verfolgt oder verurteilt wurden. Diese Umlenkung von Ressourcen weg von größeren Strafverfolgungen gibt Anlass zur Sorge, dass die Regierung die Einschränkung der Meinungsfreiheit über die öffentliche Sicherheit stellt.
[i] https://www.bpb.de/themen/politisches-system/politik-einfach-fuer-alle/236732/es-gilt-meinungsfreiheit-und-pressefreiheit/
[ii] https://reason.com/volokh/2022/04/27/would-censorship-have-stopped-the-rise-of-the-nazis/
[iii] https://www.alexautographs.com/auction-lot/early-nsdap-broadside-calls-for-the-decriminaliza_19E44D9BDA
[iv] https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/etablierung-der-ns-herrschaft/ernennung-hitlers-zum-reichskanzler.html
[v] https://www.pbs.org/wgbh/frontline/article/germanys-laws-antisemitic-hate-speech-nazi-propaganda-holocaust-denial/
[vi] https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__130.html
[vii] https://www.die-anwalts-kanzlei.de/verwendung-von-kennzeichen-verfassungswidriger-organisationen/
[viii] https://www.techdirt.com/2022/09/26/germanys-government-continues-to-lock-people-up-for-being-extremely-online/
[ix] https://www.nytimes.com/2022/09/23/technology/germany-internet-speech-arrest.html
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