Nach Angaben der außenpolitischen Redaktion der IRNA wurde die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) im Jahr 2001 mit dem Ziel gegründet, die regionale Zusammenarbeit in den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft und Politik zu stärken. Der Iran war seit dem Jahr 2005 als Beobachterstaat in der Organisation vertreten. Sein Antrag auf Vollmitgliedschaft wurde 2008 gestellt, jedoch infolge internationaler Sanktionen und politischer Vorbehalte über Jahre hinaus verzögert. Erst durch die Überwindung bestimmter Hürden und die Unterstützung bedeutender Mitgliedsstaaten – insbesondere der Volksrepublik China und der Russischen Föderation – wurde dem Iran im Rahmen des Gipfeltreffens in Duschanbe im September 2021 die Vollmitgliedschaft gewährt; der formelle Beitrittsprozess wurde schließlich im Juli 2023 abgeschlossen.
Die vollständige Mitgliedschaft des Iran eröffnet umfassende Perspektiven zur Intensivierung der wirtschaftlichen, handelspolitischen und sicherheitspolitischen Kooperation mit anderen Mitgliedsstaaten – darunter China, Russland, Indien sowie die zentralasiatischen Republiken. Darüber hinaus ermöglicht sie dem Iran eine aktivere Beteiligung an regionalen Großprojekten wie der chinesischen Initiative „Belt and Road“ (Neue Seidenstraße) und eröffnet neue Handlungsoptionen zur Abmilderung der Auswirkungen westlicher Sanktionen durch Nutzung der institutionellen Mechanismen der SOZ. Nichtsdestoweniger bestehen weiterhin Herausforderungen, wie etwa politische Divergenzen unter den Mitgliedsstaaten sowie der Bedarf an verstärkter interner Koordination, um das volle Potenzial dieser Möglichkeiten ausschöpfen zu können.
Nach Einschätzung Yermekbajews wird der Iran substantiell von seiner Mitgliedschaft in der SOZ profitieren, da die Organisation über ein umfassendes Regelwerk verfügt, das die Rahmenbedingungen für Investitionen, Handel, wirtschaftliche Kooperation und grenzüberschreitenden Verkehr erleichtert. Ein zentrales strategisches Ziel der SOZ ist die schrittweise Realisierung eines freien Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehrs unter den Mitgliedstaaten.
Im Rahmen eines Interviews mit der IRNA am Rande des „Teheraner Dialogforums“ äußerte sich Generalsekretär Nurlan Yermekbajew auf die Frage hin, wie er die wirtschaftliche Rolle der SOZ – insbesondere in den vergangenen zehn Jahren – einschätze und ob die Organisation sich inzwischen zu einem bedeutenden wirtschaftspolitischen Akteur auf internationaler Ebene entwickelt habe, wie folgt:
„Wir verfolgen in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit das Ziel, den freien Verkehr von Waren, Kapital und Dienstleistungen zwischen den Mitgliedstaaten schrittweise zu verwirklichen. In diesem Zusammenhang werden derzeit intensive Anstrengungen unternommen, um den gegenseitigen Handel zu vereinfachen. Diese Thematik stellt eine unserer höchsten Prioritäten im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit dar.“
Yermekbajew verwies hierbei insbesondere auf die von Pakistan initiierte Maßnahme, ein multilaterales Regierungsabkommen zur Handelserleichterung vorzubereiten. Zusätzlich sei eine zentrale Datenbank wirtschaftlicher Prioritäten eingerichtet worden; darüber hinaus existierten inzwischen digitale Plattformen zur Förderung des elektronischen Handels zwischen den Mitgliedstaaten. Ferner sei ein Sonderwirtschaftsraum im chinesischen SOZ-Zentrum mit Sitz in Singapur etabliert worden. Dieses Zentrum habe im vergangenen und laufenden Jahr zweimal digitale Handelsplattformen organisiert, um Exporteure bei der Vermarktung ihrer Produkte in den Mitgliedsländern gezielt zu unterstützen.
Auch als Beobachterstaat war der Iran ein aktiver und konstruktiver Impulsgeber
Auf die Frage, welches wirtschaftliche Potenzial sich dem Iran durch die nun erfolgte Vollmitgliedschaft insbesondere im Bereich ausländischer Direktinvestitionen eröffne, erklärte Yermekbajew:
„Der Iran ist seit zwei Jahren Vollmitglied der SOZ. Doch bereits zuvor – als Beobachterstaat – hat er eine Reihe praktischer und innovativer Initiativen eingebracht. Zu diesen zählen unter anderem die Einrichtung eines Energiezentrums, die Konzeption eines Systems für den Stromhandel, die Gründung einer Institution zur Gewährleistung der Flugsicherheit sowie der Aufbau einer technologischen Austauschplattform im Energiesektor. Diese Vorschläge befinden sich derzeit in der Prüfung durch die zuständigen Gremien der Mitgliedstaaten.“
Iranische Vorschläge zur maritimen Anbindung Zentralasiens werden derzeit evaluiert
Yermekbajew führte weiter aus:
„Dank seiner strategischen Lage im Nord-Süd-Korridor sowie seiner umfangreichen natürlichen Ressourcen befindet sich der Iran in einer Schlüsselposition, um sich als regionales Zentrum für Handel, Investitionen, Energiekooperation und Transitverkehr zu etablieren. So kann er insbesondere für die landumschlossenen zentralasiatischen Republiken den kürzesten und effizientesten Zugang zu internationalen Seehäfen gewährleisten.“
Iranische Vertreter haben bereits konkrete Vorschläge zur Anbindung dieser Staaten an die iranischen Küstenregionen unterbreitet, darunter die Möglichkeit der Nutzung bestehender Häfen sowie die Errichtung exklusiver Hafenanlagen für diese Länder. Diese Konzepte befinden sich gegenwärtig in der internen Beratung der Mitgliedstaaten.
Yermekbajew betonte erneut, dass der Iran innerhalb der SOZ von einem institutionellen Rahmen profitiere, der darauf ausgerichtet sei, Investitionen, Handel, wirtschaftliche Kooperation sowie grenzüberschreitenden Transport gezielt zu erleichtern. So existiere beispielsweise ein multilaterales Abkommen zur Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für den internationalen Straßengüterverkehr, das konkrete Streckenführungen, Kontrollpunkte sowie Genehmigungsmodalitäten definiere. Darüber hinaus verfüge die SOZ über spezialisierte Organe und Rechtsinstrumente zur Unterstützung und Förderung grenzüberschreitender Investitionen.
Im vergangenen Jahr wurde zudem ein Verband für Investoren ins Leben gerufen, der sich – obgleich sich dieser noch in der frühen Informations- und Aufbauphase befindet – bereits in operativer Tätigkeit befindet.
Maßnahmenpaket zur Investitionsförderung in Vorbereitung
Der Generalsekretär ergänzte abschließend:
„Gegenwärtig arbeiten wir an der Ausarbeitung eines umfassenden Maßnahmenkatalogs zur weiteren Erleichterung und Förderung von Investitionen. Kasachstan hat kürzlich die Durchführung eines Treffens mit den Leitungen von Häfen und Logistikzentren vorgeschlagen. Zusätzlich wurde eine neue wirtschaftliche Prioritäten-Datenbank erstellt, die potenziellen Investoren detaillierte Informationen bereitstellt. Eine Organisation wie die SOZ trägt wesentlich dazu bei, die Mitgliedstaaten einander näherzubringen. Regelmäßige offizielle Ministertreffen, die Aktivitäten des Wirtschaftsrats sowie die Durchführung gezielter Investorenkonferenzen schaffen zusätzliche Möglichkeiten zur Gewinnung ausländischer Kapitalgeber – insbesondere aus dem Kreis der Mitgliedsländer.“
Auf die abschließende Frage nach den Auswirkungen der in den letzten Monaten zunehmenden protektionistischen Maßnahmen – insbesondere der von US-Präsident Donald Trump initiierten Eskalation im Bereich internationaler Zollpolitik – auf die globale Handelsordnung und zur möglichen Positionierung der SOZ in dieser Situation antwortete Yermekbajew:
„Vor rund einem Monat haben wir eine offizielle Erklärung verabschiedet, in der wir unsere Unterstützung für ein regelbasiertes multilaterales Handelssystem unter der koordinierenden Rolle der Welthandelsorganisation (WTO) zum Ausdruck gebracht haben. Ziel ist es, stabile und widerstandsfähige Lieferketten nachhaltig zu sichern.“