Es ist offensichtlich geworden, dass Europa nicht mehr darauf zählen kann, dass die Vereinigten Staaten automatisch als Schutzgarant und strategischer Anker dienen. Diese Erkenntnis, die bisher nur hinter verschlossenen Türen in politischen Kreisen geäußert wurde, ist nun unbestreitbar.
Die Erkenntnis, dass die bisherige EU-Strategie der "Trump-Sicherung" faktisch gescheitert ist, markiert einen Wendepunkt. Diese Strategie bestand darin, die Unberechenbarkeit der politischen Entscheidungen in Washington durch Beschwichtigung, Charmeoffensiven und transaktionale Diplomatie abzufedern. Die einst enge transatlantische Partnerschaft, die ein Handelsvolumen von über 9,5 Billionen US-Dollar und mehr als 16 Millionen Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks sicherte, steht nun auf der Kippe. Als Reaktion darauf hat Europa einen umfassenden Kraftakt gestartet, nicht nur zur Anpassung, sondern zur Neuausrichtung. Derzeit arbeitet Europa an einem historisch bedeutsamen Plan B, der sowohl seine innere Dynamik als auch seine Rolle in einer sich entwickelnden post-amerikanischen Weltordnung neu definieren könnte.
Die Ukraine als Bruchlinie europäischer strategischer Autonomie ist ein wichtiges Thema, das diskutiert werden muss.
London und Paris haben eine Koalition der Willigen ins Leben gerufen, um die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu stärken. Diese Initiative, auch bekannt als "Stachelschweinstrategie", zielt darauf ab, die Ukraine unabhängig von Waffenruhen oder Friedensgesprächen in einen widerstandsfähigen und stark befestigten Staat zu verwandeln. Washington zögert noch, sich anzuschließen.
Die gemeinsamen Bemühungen von Frankreich und Großbritannien in der Verteidigung der östlichen Flanke Europas sind nicht nur praktisch, sondern auch symbolisch von großer Bedeutung. Als die beiden europäischen Atommächte mit unterschiedlichen post-Brexit-Kursen haben sie eine neue gemeinsame Basis gefunden. Die wiederbelebte Zusammenarbeit signalisiert eine strategische Wende: eine vorsichtige Rückkehr zu einer französisch-britischen Führungsrolle in der europäischen Sicherheitspolitik. Dies markiert das Ende eines fast ein Jahrzehnt langen Zeitraums, der von politischen Spannungen, diplomatischen Konflikten und institutionellen Blockaden geprägt war.
Die EU-Institutionen wie die Europäische Kommission spielen eine unterstützende Rolle, indem sie finanzielle Mittel mobilisieren und Verhandlungen innerhalb Europas moderieren. Allerdings bestehen weiterhin Spannungen. Ungarn blockiert nach wie vor einstimmige Beschlüsse zu Sanktionen und militärischer Unterstützung, was dazu führt, dass Entscheidungen regelmäßig von 26 statt 27 Mitgliedstaaten getroffen werden müssen. Dies verdeutlicht sowohl die Anpassungsfähigkeit als auch die strukturelle Schwäche der EU-Außenpolitik: Einerseits zeigt sich die Kommission flexibel, andererseits bleibt das Einstimmigkeitserfordernis eine strategische Schwachstelle.
Es sieht so aus, als ob die europäische Sicherheitsarchitektur sich in Richtung einer verstärkten Deinstitutionalisierung und intergouvernementalen Ausgestaltung entwickelt – unterstützt von temporären Allianzen ähnlich gesinnter Staaten. Dies könnte bedeuten, dass für die Ukraine und die zukünftige Sicherheitspolitik Europas eine Art "europäische NATO ohne die USA" entsteht – ein flexibles Sicherheitsmodell, das von Staaten gesteuert wird und parallel zu den bestehenden Strukturen der EU und NATO existiert.
Europas Wiederbewaffnung: Entwicklung von einem Tabu zur offiziellen Doktrin
Es zeigt sich ein bedeutender Wandel in Bezug auf die Verteidigungsausgaben. Lange Zeit haben viele europäische Staaten die NATO-Vorgabe von 2 % des BIP nur halbherzig verfolgt. Doch angesichts des schleichenden Rückzugs der USA werden nun alte Haushaltsdogmen über Bord geworfen. Deutschland, das lange Zeit als ein schlafender Riese in der europäischen Sicherheit angesehen wurde, plant nun, die Marke von 3 % des BIP zu überschreiten. Dazu gehören die Schaffung eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro sowie eine Verfassungsänderung zur Aussetzung der Schuldenbremse. Frankreich, Polen und die nordischen Staaten haben ihre Verteidigungsbudgets in einem Tempo erhöht, das seit dem Kalten Krieg nicht mehr gesehen wurde.
Geld allein ist nicht die Lösung.
Quelle:
European Commission, “Trade Policy Review 2025,” February 2025.
NATO Annual Report, 2024–2025.
Bundesministerium der Verteidigung, “Germany’s Defense Budget Reform Package,” March 2025.
Eurostat and IMF datasets, Q1 2025.
Financial Times, “EU Finalizes Trade Pact With Mercosur,” December 2024.
Reuters, “EU–India Agree on Trade Deal Framework,” February 2025.
Politico Europe, “Hungary Blocks New EU Sanctions Package,” April 2025.
Nature, “Academic Migration Trends in Response to U.S. Policy Shifts,” March 2025.
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