06.05.2025, 16:21
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Trumps Zoll-Offensive Zersplittert die Weltwirtschaft - und der Westen lässt es geschehen

In den vergangenen Wochen hat die neu entfesselte Zolloffensive von Donald Trump das globale Handelssystem stark erschüttert. Unter Berufung auf weitreichende Notstandsbefugnisse, die in der Wirtschaftspolitik selten genutzt werden, hat seine Regierung pauschal 10 % Einfuhrzölle auf fast alle Importe verhängt. Darüber hinaus werden 57 Länder mit zusätzlichen Sonderzöllen belegt, wobei chinesische Waren mit Abgaben von bis zu 245 % belegt werden. Offiziell soll diese Maßnahme die US-Industrie schützen und gegen "unfaire" Handelspraktiken vorgehen.

Teheran (IRNA) – In der Praxis führt sie jedoch zur Fragmentierung der Weltwirtschaft, entfremdet Verbündete und belastet paradoxerweise die Bürger, deren Interessen sie angeblich schützen soll. Die westlichen Partnerstaaten reagieren nur verhalten auf die Verschärfung des ökonomischen Feldzugs von Washington. Sie wirken wie stille Zuschauer beim Zerfall einer Handelsordnung, die sie einst mitgeprägt haben.

Seit dem 5. April 2025 nutzt die US-Regierung den International Emergency Economic Powers Act, um ein umfassendes Zollregime zu implementieren. Am 9. April, der von der Regierung als "Befreiungstag" bezeichnet wurde, hat Trump die Maßnahmen erweitert und bestimmte chinesische Importe mit Strafzöllen von bis zu 245 % belegt. Die Ähnlichkeiten zum Smoot-Hawley Act von 1930 sind offensichtlich. Dieses protektionistische Gesetz verschärfte damals die Große Depression erheblich. Heute deutet sich an, dass sich die Geschichte zu wiederholen droht. Die globale Wachstumsprognose für das Jahr 2025 wurde vom Internationalen Währungsfonds (IWF) bereits von 3,3 % auf 2,8 % gesenkt. Dies stellt die niedrigste Rate seit dem Pandemiejahr 2020 dar. Die Hauptursache hierfür ist die steigende Unberechenbarkeit der US-Handelspolitik.
Die US-Wirtschaft wird voraussichtlich im Jahr 2025 nur noch um 1,8 % wachsen, was das schwächste Wachstum unter den G7-Staaten darstellt. Laut einer Umfrage von Bloomberg besteht eine 40%ige Wahrscheinlichkeit einer Rezession. Das Konsumklima trübt sich ein und Investitionen werden aufgrund der Planungsunsicherheit zurückgehalten. Mehr als 40 Großunternehmen, darunter Delta, Volvo und Porsche, haben ihre Gewinnerwartungen aufgrund der Handelsstörungen nach unten korrigiert. Einzelhändler wie Walmart, Shein und Target haben vor steigenden Preisen gewarnt. Der pauschale Zollsatz von 10 % mag auf den ersten Blick moderat erscheinen, aber in der Praxis trägt er zur Inflation bei. Zölle sind versteckte Steuern, die letztendlich nicht von chinesischen Fabriken, sondern von amerikanischen Haushalten und kleinen Unternehmen bezahlt werden müssen.
Die Situation wird besonders gefährlich durch den schleichenden Verlust der Führungskraft der USA und die passive Mitverantwortung des Westens. Der US-Kongress, der einst für den Freihandel stand, wurde komplett entmachtet. Die USA zeigen mittlerweile offene Verachtung gegenüber multilateralen Institutionen wie der Welthandelsorganisation (WTO), die sie einst maßgeblich unterstützt haben. Die Trump-Regierung hat nicht nur die Beitragszahlungen eingestellt, sondern auch die Ernennung neuer Richter für das WTO-Berufungsgremium blockiert, was die Streitschlichtung de facto zum Erliegen gebracht hat. In der Zwischenzeit entsteht eine neue Weltordnung, die nicht auf demokratischer Verständigung beruht, sondern auf Vergeltungsmaßnahmen und bilateralen Machtverschiebungen.
China hat als Reaktion auf die gestaffelten Gegenzölle die durchschnittliche Belastung für US-Waren auf bemerkenswerte 54 % erhöht. Insbesondere Kohle, Flüssiggas und Sojabohnen sind stark betroffen. Kanada und Mexiko haben vor der WTO Klage gegen die 25-%-Zölle auf Autos erhoben, während die EU ihre Handelsstrategie überdenkt und ihre Beziehungen zu Peking verstärkt. Brüssel bereitet die Wiederbelebung des Investitionsabkommens mit China vor – ein Abkommen, das einst als politisch nicht vertretbar galt, nachdem China europäische Abgeordnete sanktioniert hatte. Angesichts der Eskalation seitens Washington scheint die EU jedoch bereit zu sein, aus pragmatischen – wenn auch nicht ideologischen – Gründen ihre Aufmerksamkeit nach Osten zu lenken.
Die Entwicklung hat Auswirkungen über den Handel hinaus und berührt grundlegende Werte. Die USA riskieren mit ihrem Kurs des Unilateralismus die gesamte liberale Weltordnung zu untergraben. Verbündete, die zunehmend von der Unberechenbarkeit der USA zermürbt sind, prüfen ihre Handlungsoptionen. Während der IWF-Frühjahrstagungen 2025 sollen Finanzminister aus Asien, Europa und Lateinamerika inoffizielle Gespräche mit dem US-Finanzministerium geführt haben – in der Hoffnung, das nächste Vorgehen Washingtons zu entschlüsseln, obwohl sie selbst keinen direkten Einfluss darauf nehmen können.
Aktuelle Entwicklungen deuten darauf hin, dass die Dienstleistungsbranche in den USA, die als wirtschaftlich robust gilt, von den Zöllen, die von Trump eingeführt wurden, stark betroffen sein könnte. Im Jahr 2024 belief sich der Export von Dienstleistungen aus den USA auf über 1,1 Billionen Dollar, was mehr als 70 % des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Diese Branche ist nun jedoch durch digitale Steuern und regulatorische Barrieren im Ausland gefährdet. Sowohl Europa als auch Indien erwägen die Einführung neuer Digitalsteuern und verweisen dabei explizit auf die aggressive Handelspolitik der USA. Dies könnte dazu führen, dass Technologiegiganten wie Google, Apple und Amazon bald die Auswirkungen zu spüren bekommen.
Der soziale Druck nimmt ebenfalls zu. Die Stammwählerschaft von Trump - vor allem Mittelschichtsbürger im Mittleren Westen und Süden - spürt diesen Druck deutlich. In aktuellen Fokusgruppen äußerten sie ihre Frustration über schwindende Altersvorsorge und steigende Lebenshaltungskosten. General Motors hat seine Investorenkonferenz aufgrund der globalen Handelsunsicherheit verschoben, während UPS den Abbau von 20.000 Stellen angekündigt hat - direkt aufgrund der Zollpolitik. Hinter diesen Zahlen stehen Schicksale, die durch ein geopolitisches Spiel ohne klaren Plan und Weitsicht zerstört werden.
Selbst langjährige Handelspartner wie Japan und Südkorea erwägen ernsthaft Vergeltungsmaßnahmen. Beide Länder haben öffentlich ihre Besorgnis über das Vorgehen der USA bei der WTO geäußert und könnten dem Beispiel von Kanada und der EU folgen, indem sie Klage einreichen. Trotzdem gibt es unter den westlichen Demokratien keine koordinierte Gegenwehr gegen diese Entwicklung hin zum Protektionismus – nur vereinzelte, reaktive politische Maßnahmen.
Besonders besorgniserregend ist jedoch das Schweigen anderer westlicher Führungsmächte. Die bisherige Rhetorik der Biden-Ära, die von Allianzen und einer regelbasierten Ordnung geprägt war, fehlt in Washington. Brüssel, Ottawa und Tokio halten sich zurück und hoffen auf eine Verbesserung der Situation - und werden dadurch zu Mitwissern beim Abbau jener Ordnung, die sie einst mit aufgebaut haben.
Es wird erwartet, dass die Handelsbeziehung zwischen den USA und China, die einst die größte bilaterale der Welt war, bis Ende 2025 um 80 % zurückgehen wird. Dieser drastische Rückgang wird weitreichende Auswirkungen auf globale Lieferketten, Technologiepartnerschaften und Kapitalmärkte haben. Es handelt sich hierbei nicht um einen einfachen Neuanfang, sondern um eine klare Trennung.
Es ist dringend erforderlich, dass der Westen seine Augen öffnet und das multilaterale Prinzip verteidigt, um einer neuen Ära des ökonomischen Nationalismus und der globalen Zersplitterung entgegenzuwirken. Es ist entscheidend, dass eine einheitliche Stimme gefunden wird, um eine Welt rivalisierender Blöcke, ökonomischer Machtspiele und diplomatischer Eiszeit zu verhindern. Es droht eine Zeit, in der das Vertrauen schwindet, die Zusammenarbeit zerbricht und der Wohlstand nicht mehr durch globale Regeln, sondern durch geografische Zufälle bestimmt wird. Es ist bittere Ironie, dass die Institutionen, die heute abgebaut werden, einst genau dazu geschaffen wurden, um ein solches Szenario zu verhindern.
Quelle:

International Monetary Fund – World Economic Outlook Update, April 2025

Reuters – “U.S. Tariffs Trigger Corporate Profit Warnings and Global Trade Disputes,” April 2025

Business Insider – “Trump’s Emergency Tariff Regime Sparks Recession Fears,” April 2025

Politico – “Inside Trump’s New Global Tariff Plan,” April 2025

Axios – “U.S.-China Trade Collapse Projected at 80%,” April 2025

World Trade Organization – Statements by DG Ngozi Okonjo-Iweala, Spring 2025

Bloomberg Economics – U.S. Recession Risk Index, March 2025

U.S. Census Bureau – Services Sector Export Data, 2024

European Commission – “EU-China Relations and Trade Strategy Update,” April 2025

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