Laut einem Bericht der IRNA erläuterte Massoud Pezeshkian in einem Interview mit dem staatlichen Fernsehsender der Republik Aserbaidschan kurz vor seiner Reise in das Nachbarland den aktuellen Stand der bilateralen Beziehungen.
Hier der vollständige Wortlaut des Interviews:
Moderator:
Zunächst möchte ich mein Beileid zum gestrigen Vorfall ausdrücken. Möge Gott der Verstorbenen gedenken und den Verletzten baldige Genesung schenken.
Präsident:
Vielen Dank.
Moderator:
Sehr geehrter Herr Präsident, wir danken Ihnen, dass Sie sich trotz Ihrer zahlreichen Verpflichtungen Zeit für das staatliche Fernsehen Aserbaidschans genommen haben. Meine erste Frage betrifft Ihre bevorstehende Reise: Es handelt sich um Ihren ersten offiziellen Besuch als Präsident in der Republik Aserbaidschan – ein Ereignis von regionaler und internationaler Bedeutung. Angesichts der jahrhundertealten historischen und religiösen Beziehungen zwischen Iran und Aserbaidschan: Wie bewerten Sie die Entwicklung der bilateralen Beziehungen, und welche Erwartungen und Gefühle verbinden Sie mit dieser Reise?
Präsident:
Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Barmherzigen.
Zunächst freue ich mich sehr, Sie zu treffen, und noch mehr darüber, nach Aserbaidschan zu reisen. Denn wir fühlen uns dort niemals fremd. Wir sind Nachbarn und leben seit jeher Seite an Seite. Auch wenn Grenzen zwischen uns gezogen wurden, so haben sie doch für uns wenig Bedeutung – Nachbarn können Mauern zwischen sich haben, bleiben aber verbunden. Wir teilen Freud und Leid mit unseren lieben Brüdern und Schwestern in Aserbaidschan.
Wir glauben daran, dass die Beziehungen zu den Nachbarländern stets höchste Priorität haben müssen. Deshalb verspüren wir in Aserbaidschan keinerlei Fremdheit. In meinen Gesprächen mit meinem Bruder Ilham Aliyev und bei den anstehenden Treffen werde ich mich bemühen, die bestehende freundschaftliche und brüderliche Verbundenheit weiter zu stärken.
Moderator:
Sie haben Ihre geplanten Gespräche mit dem Präsidenten Aserbaidschans angesprochen. Welche Themen werden Sie mit ihm erörtern? Insbesondere interessiert es die Menschen in beiden Ländern, welche strategischen Fragen diskutiert werden.
Präsident:
Was tun zwei Brüder und Nachbarn? Auf Grundlage unserer Fähigkeiten – ob wissenschaftlich, wirtschaftlich, industriell, kulturell, im Gesundheitswesen oder im Handel – können wir umfassend zusammenarbeiten. Das Wesentliche ist: Als Nachbarn können und sollen wir uns gegenseitig unterstützen. Gemeinsam können wir für Wohlstand, Ehre, Gesundheit und ein friedliches Leben unserer Völker arbeiten und eine stabile Region schaffen.
In unseren Treffen können wir Kooperationen im Bereich Hochschulbildung, Handel, Wissenschaft, Kultur und Kunst aufbauen. Wir sind durch familiäre Bande verbunden und müssen den Austausch unserer Menschen intensivieren, damit gegenseitige Besuche und Kontakte erleichtert werden. So können wir ein gutes und ruhiges Leben für beide Seiten gestalten.
Moderator:
Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern entwickeln sich weiter. Welche Maßnahmen planen Sie zur Vertiefung des gegenseitigen Vertrauens? Beispielsweise im Bereich parlamentarischer Zusammenarbeit, kultureller Austausch oder Bildungs- und Forschungspartnerschaften? Was hat Priorität?
Präsident:
Wir sind bereit, jede Form der Zusammenarbeit mit Aserbaidschan zu fördern und Erfahrungen auszutauschen – in beide Richtungen. Es gibt aus unserer Sicht keinerlei Einschränkungen. Natürlich ist die Stärkung der Beziehungen zwischen den Parlamenten ein wichtiger Schritt. Der Austausch zwischen Universitäten und Wissenschaftlern ist der nächste. Auch im Gesundheitswesen, bei Arzneimitteln und medizinischer Ausrüstung können wir zusammenarbeiten.
Genauso können wir in Industrie, Handel und gemeinsamen Investitionsprojekten Kooperationsmöglichkeiten erschließen. In allen Bereichen – Kultur, Sport, Kunst – kann ein intensiver und gesunder Austausch entstehen.
Moderator:
Aktuell verläuft der Friedensprozess zwischen Armenien und Aserbaidschan nur schleppend. Was ist die Position Irans dazu? Wie kann der Iran offiziell zu Stabilität und Zusammenarbeit in der Region beitragen?
Präsident:
Der erste Schritt für Frieden ist, dass jede Partei sich mit ihren eigenen Grenzen zufriedengibt und keine Ansprüche auf fremdes Land erhebt. Konflikte entstehen, wenn ein Akteur versucht, Gebiete anderer zu vereinnahmen.
Deshalb vertreten wir immer die Auffassung, dass die Souveränität und territoriale Integrität aller Staaten respektiert werden muss.
Auch wir selbst haben dieses Prinzip im Rahmen des Völkerrechts akzeptiert. Wir hoffen, dass Armenien und Aserbaidschan unter Anerkennung internationaler Regeln ihre Streitigkeiten lösen können.
Probleme entstehen, wenn Gier über die eigenen Rechte hinausgeht. Wir haben stets die Rechte Aserbaidschans verteidigt und werden das im Rahmen internationaler Normen auch für Armenien tun. Unser Ziel ist, dass beide Seiten in Frieden, Brüderlichkeit und guter Nachbarschaft zusammenleben und sich gegenseitig unterstützen.
Moderator:
Das Thema Zangezur-Korridor ist für beide Länder sehr wichtig. Was ist die Position Irans hierzu?
Präsident:
Wie gesagt: Zunächst muss die territoriale Integrität respektiert werden. Kein Land sollte auf das Land eines anderen schielen.
Grenz- und Territorialfragen zwischen Armenien und Aserbaidschan können nur durch politische und wirtschaftliche Lösungen unter Berücksichtigung der Rechte beider Seiten beigelegt werden.
Der Iran hilft aktuell, indem er den Transitweg über iranisches Gebiet für die Aserbaidschaner vorbereitet, sodass sie Nakhchivan erreichen können. Straßen- und Eisenbahnprojekte laufen auf Hochtouren. Wir haben Vereinbarungen getroffen und, so Gott will, wird es keine Probleme bei der Verbindung zwischen Aserbaidschan und Nakhchivan geben.
Für uns ist der Iran die zweite Heimat der Aseris – ihre Schritte auf unser Land zu setzen, ist uns eine Ehre.
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